Café Raimann

12. Bezirk, Schönbrunner Strasse 285

planet-vienna, café raimann in wien

Die Geschichte des Café Raimann beginnt im Jahre 1918. Damals existierten im Erdgeschoss der 1894 entstandenen Häuserzeile einfache Vorstadt-Wohungen. 1918 baute die aus Ottakring hergezogene Familie Schober das Parterre des Hauses an der Ecke Schönbrunnerstrasse/Aichholzgasse zu einem Kaffeehaus um. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges blühte die Kaffeehauskultur im „Schober“ mitten in Meidling. Danach zog hier für zehn Jahre die englische Armeepost ein. 1955 öffnete das Café Schober nach einer grundlegenden Renovation seine Türen wieder.

Als der Wiener Gastronom Felix Raimann 1962 das Schober übernahm, existierte das Lokal fortan unter dessen Namen, und ausser notwendigen Erhaltungsmassnahmen hat es hier seither nur sehr wenig Erneuerungen beim Interieur gegeben. Nach dem Ableben Felix Raimanns übernahm dessen Witwe das Kaffeehaus und später Sohn Leo.

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Dank Herrn Franz, ein Ober-Urgestein, der im Raimann drei Jahrzehnte die gute Seele des Hauses war, wurde das Meidlinger Kaffeehaus ab den frühen 1990-ern für einige Jahre lang Stammlokal der legendären Künstlergruppe „Donauwelle“. Eine Reihe bunter Vögel der Wiener Kunst- und Kulturgruppe gehörte der „Donauwelle“ rund um Gründerin Frau Maria an. Frau Maria hatte zuvor das Café Theater an der Wien geführt, welches demzufolge auch Domizil der „Donauwelle“ gewesen war. Als das Café schliessen musste, geriet ihre Künstlergruppe via Bekanntschaft mit Herrn Franz vom Kaffeehaus in Meidling an Leo Raimann und vereinbarte mit ihm, dass die „Donauwelle“ fortan im Raimann wirken dürfe. Die Räume waren nun nicht mehr nur Kaffeehaus, sondern auch Showbühne für die extravganten Vorstellungen von Frau Maria und ihrer Entourage. Ob Operette im Kleinformat, Tanzeinlagen oder Travestie – das Raimann wurde Bühne für alles Schrillschönverrückte und somit ein kultureller Schmelztiegel mitten im 12. Bezirk.

Ende 2002 war der Hype um die „Donauwelle“ allmählich abgeklungen, das Publikum an den Veranstaltungen im Raimann schwand, auch Herr Franz war nicht mehr. Und dann gab es plötzlich noch Reklamationen aus der Nachbarschaft wegen Lärmbelästigung, was dem bunten Treiben im Raimann den Rest gab. Die „Donauwelle“ zog weiter, und das Raimann war wieder ein gewöhnliches Vorstadt-Kaffeehaus. Leo Raimann übergab die Leitung des Cafés 2007 der Familie Schaffer. Der Name ist geblieben.

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Das Café Raimann ist in seiner Art eines der wenigen klassischen Kaffeehäuser in den Wiener Vorstädten, was es zu einer sehr erhaltenswerten Besonderheit macht. Verschlimmbessernde Modernisierungen sind am Raimann gottlob völlig vorbeigegangen. Ausser neuen Wandleuchten, einem erneuerten Parkett und einigen Auffrischungen hat das Raimann sein 50/60er-Jahre-Aussehen über die Jahrzehnte konservieren können. Die Resopaltische und biederen Sitzgruppen sowie die schlichten weissen Wände und Decken mit eleganten Lustern versprühen einen angenehm-altmodischen Charme.

Dass sich kaum „Fremde“ hierhin verirren, ist selbstredend und vielleicht auch insofern ein glücklicher Umstand für das Café Raimann, als es so seinen Status als eines der wenigen übrig gebliebenen klassischen Vorstadt-Kaffeehäuser erhalten kann. Seine Lage ist nur in der ersten Wahrnehmung abseits, sind es von der U4-Station Meidling Hauptstrasse doch lediglich wenige Schritte bis zum Raimann.


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