Siegfried Translateur (1875-1944)

planet-vienna, der komponist siegfried translateur

Siegfried Translateur wurde am 19. Juni 1875 in Carlsruhe in Schlesien geboren. Sein ursprünglicher Name lautete Salo Translateur. Er studierte Musik in Breslau, Wien und Leipzig und liess sich um 1900 in Berlin nieder, wo er als Kapellmeister ein eigenes Orchester leitete. 1911 gründete er den Musikverlag „Lyra“, der später gemeinsam mit seinem Sohn Hans unter dem Namen „Musikverlag Lyra Translateur & Co.“ weitergeführt wurde. Neben seinen eigenen Werken veröffentlichte der Verlag auch Kompositionen anderer Künstler, darunter Paul Lincke.

Als Jude wurde Translateur nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als „nicht arisch“ eingestuft. Er musste aus der Reichsmusikkammer austreten und seinen Verlag aufgeben, den er 1938 an Bosworth verkaufte. 1944 wurde er ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er am 1. März 1944 verstarb.

Translateur hinterliess rund 200 Kompositionen, von denen viele in Vergessenheit geraten sind. Besonders seine Klavierwerke galten als musikpädagogisch wertvoll und wurden an Konservatorien häufig verwendet.


Das „Wiener Praterleben

Nur wenige wissen, dass Translateur der Schöpfer eines Walzers ist, der einst um die Welt ging und bis heute als unvergänglicher Ohrwurm gilt – das „Wiener Praterleben“. Dieses Werk erlebte im Laufe der Zeit einen bemerkenswerten Wandel in Name und Verwendung. Als 1909 die Idee des Sechstagerennens aus den USA nach Europa kam, wurde das Rennen in Berlin im Sportpalast ausgetragen. Unter den begeisterten Zuschauern befand sich ein junger Mann namens Reinhold Habisch, der wegen einer Behinderung selbst nie teilnehmen konnte. Er besuchte die Rennen dennoch regelmässig und machte sich durch seine launigen Zwischenrufe und Spässe von der Tribüne aus einen Namen. Man nannte ihn scherzhaft „Olle Krücke“, und er wurde zur Symbolfigur des Sechstagerennens.

Im Jahre 1923 spielte das Orchester während des Spektakels erstmals den Walzer Wiener Praterleben. In der dritten Walzersequenz folgen nach den ersten zwei Takten vier gleiche Töne – Habisch begann, diese vier Töne laut mitzupfeifen. Die Pfiffe wurden bald in fast allen späteren Aufführungen des Walzers übernommen und prägten seinen unverwechselbaren Charakter. So schrieb Translateurs Komposition Musikgeschichte.

1934 verboten die Nationalsozialisten das Spielen des Walzers aufgrund der jüdischen Herkunft seines Komponisten. Doch das Publikum hielt sich kaum an das Verbot – die Melodie war zu beliebt. Schliesslich untersagten die Machthaber sogar das gesamte Sechstagerennen, da man es wegen seines Ursprungs und der dazu gespielten Musik als „amerikanisch-jüdisch“ betrachtete. Obwohl der Berliner Sportpalast 1973 abgerissen wurde, blieb die Tradition der Rennen bestehen – und mit ihr der Walzer.

Das Wiener Praterleben wurde so zur Hymne des Berliner Sechstagerennens und begeistert bis heute durch seine mitreissende Melodik. Dahinfliessende Themen, beschwingte Zwischenspiele und der kontinuierliche Dreivierteltakt verleihen dem Werk jene tänzerische Leichtigkeit, die das Lebensgefühl Wiens einfängt. Man hört förmlich, wie sich im Prater fröhliche Gesichter im Kreis drehen, wie Wiener Heiterkeit und Lebenslust erklingen – passend zu den Radfahrern, die unermüdlich ihre Runden ziehen.

Auch wenn der Walzer als Hymne des Sechstagerennens Weltruhm erlangte, ist er doch in seinem Wesen das „Wiener Praterleben“ geblieben – ein Stück Wiener Charme, untrennbar verbunden mit seinem Schöpfer. Heute existieren unzählige Versionen dieses Walzers, doch nur wenige wissen, dass wir dieses Meisterwerk einem Mann verdanken, dessen Name und tragisches Ende fast vergessen sind: Siegfried Translateur.


Einige weitere Kompositionen Translateurs:

Was Blumen träumen
-Berlin, mein Berlin (Walzer)
-Traumverloren (Walzer)
-La Reine du Bal
-Wiener Extrablätter (Walzer)
-Wiener Herzen (Walzer)